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Forschung durch Inventarisierung

Objektforschung durch Inventarisierung
Zu Beginn ist das uninventarisierte Objekt nur ein bloßer Gegenstand. Der Kasten mit dem Gouachebild der antiken Göttin der Jagd (Diana) auf dem Deckel macht durch die aufwändige Ausführung neugierig auf seinen Inhalt. Nach dem Öffnen wird ein reich gefüllter Malkasten ansichtig (Foto). Erst ein Blick in das Zugangsbuch gibt dem kostbaren Stück aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts eine Geschichte, die in die Tiefe der Bestände des Historischen Museums Frankfurt führt. Dem Eintrag zufolge gehörte der Malkasten dem Frankfurter Dekorationsmaler Johann Daniel Scheel (1773-1833). Eine erste Recherche beleuchtet Stationen seines Künstlerlebens. Der am 15. März 1773 als Sohn eines Knopfmachermeisters geborene Scheel erhielt seine Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie. Eine Recherche in der Datenbank des Historischen Museums Frankfurt führt zu einem Landschaftsgemälde Scheels. Wie weitere Nachforschungen ergeben, handelt es sich hierbei um das Werk, das er als Mitglied der Frankfurter Malerzunft zur Erlangung der Meisterwürde anfertigte. Ein weiteres Gemälde im Bestand ermöglicht darüber hinaus Einblick in das Leben dieser Künstlerpersönlichkeit. Scheels zweite Ehefrau Johanna Rosina Scheel, geb. Silbermann, ist durch ein Porträt fassbar, das Peter Cornelius, ein befreundeter Künstlerkollege aus Scheels Düsseldorfer Tagen, anfertigte (Foto).
 
Die künstlerische Bedeutung Scheels liegt in seinen Arbeiten als Raumkünstler begründet. Er schuf Dekorationsmalereien u. a. für den Toskanersaal in der Würzburger Residenz, den Pompejanischen Saal in Schloss Homburg vor der Höhe, den Festsaal des Riedhofes in Sachsenhausen der Familie Bethmann und für eine Reihe weiterer Land- und Gartenhäuser Frankfurter Partrizierfamilien. Auch diese Schaffensphase kann durch den Bestand des Historischen Museums Frankfurt dokumentiert werden. In der Grafischen Sammlung findet sich eine Entwurfsskizze für den Mittelsaal des Landhauses Gogel aus dem Jahr 1805. Was darüber hinaus noch in den Beständen schlummert, wird die Zukunft zeigen.

Dieser kleine Bericht von einem Inventarisierungsprozess zeigt, dass die wissenschaftliche Inventarisierung weitaus mehr umfasst, als nur die reine Verzeichnung der Existenz eines Objekts durch das Versehen mit einer Nummer: Hier erfolgt die Einordnung des Objekts in eine Sachgruppe, die Zuordnung zu einem Künstler, einer Werkstatt oder einem Industriebetrieb, die Datierung, die Recherche nach Vorbesitzern, nach möglichen Bearbeitungen des Objekts nach der Entstehung und nicht selten die Feststellung seiner Echtheit. Weiterhin gehören zur Inventarisierung eine Material- und Technikidentifizierung und schließlich eine Zustandsbestimmung, im Idealfall in enger Abstimmung mit den zuständigen Restaurator*innen. Die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Museumsobjekt kann somit auch ein Beitrag zur Bestandssicherung sein, wenn hier Notwendigkeiten erkannt und konservatorische Maßnahmen veranlasst werden.
 
Erst wenn diese Arbeit der Inventarisierung gemacht wurde, kann die weitere Museumsarbeit beginnen. Die Erschließung des Bestands ist Voraussetzung für jede weitere Sammeltätigkeit und das Vermitteln. Nur wenn bekannt ist, was zum Bestand gehört, können gezielt Lücken geschlossen oder im negativen Fall das Anwachsen von Dublettenbeständen verhindert werden. Erst die Einordnung eines Objekts in eine Zeitepoche, in ein Künstleroeuvre oder die Zuordnung zu einem Sachthema ermöglichen seine Einbindung in einen historischen und künstlerischen Kontext und damit in eine geplante Ausstellung. Dennoch gehört die Inventarisierung zu den häufig vernachlässigten und zumeist ungeliebten Aufgaben in der alltäglichen Museumsarbeit. Sie ist extrem mühsam und geschieht im Verborgenen, ohne den Glanz der Außenwirkung. Und das ganz zu Unrecht, denn jede Ausstellung ist von einer gut inventarisierten und damit erforschten Sammlung abhängig.