Kirchenstuhlschilder aus der Dreikönigskirche in Sachsenhausen
Kirchenstuhlschilder bezeichneten den gemieteten Sitzplatz im Gotteshaus. Die Sitzordnung bildete auch die Gesellschaftsordnung ab.
Die Gesellschaftsordnung bildete sich vor allem in weltlichen und religiösen Zeremonien öffentlich ab. Dies galt auch für die in Kirchen gefeierten Gottesdienste, zu denen sich die Gemeinde versammelte. In den protestantischen Kirchen hatte man – anders als heute – keine freie Platzwahl. Vielmehr mussten die Kirchgänger einen Stuhl oder einen Platz in einer oft verschließbaren Bank für einige Gulden jährlich mieten: eine wichtige Einnahmequelle der Kirchengemeinden. Um seinen Platz kenntlich zu machen, ließ man ein graviertes Messingschild mit seinem Namen, einem Bildzeichen und gelegentlich auch der Nummer der Kirchenbank anbringen. Die Stühle waren nach Frauen und Männern getrennt, zudem gab es Stühle für Familien, Zünfte oder Ratsherren. Je nach ihrer Lage im Kirchenraum – auf der Empore, in der Nähe der Kanzel oder des Altars – hatten sie eine unterschiedliche Wertigkeit, die auch die Höhe der Stuhlmiete bestimmen konnte.
Die ausgestellten Kirchenstuhlschilder stammen aus der 1875 abgerissenen alten Dreikönigskirche in Sachsenhausen, die 1690 mit neuen Kirchenstühlen ausgestattet worden war. An den Bildzeichen erkennt man, dass die meisten Mieter die für Sachsenhausen typischen Handwerkerberufe ausübten: Gärtner, Fischer, Bäcker oder Bierbrauer. Eine Ausnahme bildet das religiöse Bild auf dem Schild von Joannes Michael Geisius von 1723, das einen Wanderer oder Pilger unter einer Wolke mit dem Schriftzug „Jahwe“, also dem Schutz Gottes, zeigt.
Die Stühle wurden oft innerhalb der Familien weitervererbt, aber auch – selbst per Zeitungsannonce – weit über dem Preis der Miete verkauft oder versteigert. Verzeichnet wurden die vermieteten Stühle in Registern von einem Schreiber des Almosenkastens, dem Sozialamt früherer Zeiten; so konnten sich Auseinandersetzungen vermeiden lassen.