Stadtlabor Sammlungs-Check
Im ersten Stadtlabor-Projekt, bei dem wir mit der Sammlung gearbeitet haben, wurden Objekte aus der Museumssammlung sowie Objekte von Stadtlaborant/innen unter den Fragestellungen betrachtet: Welche Gegenstände spiegeln die kulturelle Diversität und die Migrationsgeschichte unserer Stadt wider? Was macht einen gewöhnlichen Gegenstand zu einem Migrationsobjekt?
Jeden Dienstag war die Kuratorin Aikaterini Dori anwesend und nahm Objekte entgegen.
Im Verlauf des Projekts fanden fünf Workshops statt, bei denen gemeinsam diskutiert wurde, wie das Museum Migrationsgeschichte partizipativ sammeln kann.
Kick-Off Workshop
Am 18. Oktober 2017 fand der erste Sammlungs-Check Workshop statt. 15 Frankfurter/innen mit Migrationsgeschichte, Fachleute für Migration und Interessierte zum Thema „Migration und Museum“ kamen zusammen, um die Frage zu diskutieren, wie man Migration sammelt. Für das Stadtlabor-Team war dieses Treffen eine neue Erfahrung in doppelter Hinsicht. Zum einen verknüpft das Projekt zum ersten Mal die Stadtlabor-Methode mit der Museumssammlung. Zum anderen hatten wir ebenso zum ersten Mal einen Stadtlabor-Workshop im dafür konzipierten und gestalteten Bereich mitten in der Ausstellung „Frankfurt Jetzt! Erforschen“ veranstaltet.
Ergebnisse
Von Oktober 2017 bis Februar 2018 haben wir mit einer Gruppe von Stadtlaborant/innen mit und ohne Migrationsbiografie Strategien und Empfehlungen für das Sammeln von Migrationsgeschichte erarbeitet,„Migrationsobjekte“ gesammelt und Audio-Interviews geführt. Im Rahmen der Abschlussdiskussion am 7. Februar 2018 wurden die Ergebnisse präsentiert und mit einer erweiterten Expertenrunde diskutiert. Neben den Stadtlaborantinnen und Stadtlaboranten waren auf dem Podium eingeladen:
Chrisula Dingiludi (Stadtlaborantin), Aikaterini Dori (Museumsstipendiatin kulturelle Vielfalt und Migration, Kuratorin Sammlungs-Check), Jan Gerchow (Direktor HMF), Armin von Ungern-Sternberg (AmKA) und Sandra Vacca (DOMiD). Moderation Susanne Gesser (HMF). Am 20. April 2018 wurde die Dokumentation vorgestellt.
Stadtlaborantinnen und Stadtlaboranten
Muniat Akhouaji, Calogera von Auw, Ibrahim Aydin, Chrisoula Dingiludi, Andreas Eichstaedt, Darja Klingenberg, Pardis Mohadessi, Friedemann Neumann, Peter Oehler, Giuseppe Pontoni, Tamara Labas, Sevastos Sampsounis, Sema Yilmazer
Interview mit Muniat Akhouaji
In ihrem Interview spricht sie über ein Kopftuch, das ihre Mutter Anfang der 1980er Jahre aus Marokko mitgebracht hat. Sie erklärt, was das Kopftuch für ihre Mutter und für sie selbst bedeutet und findet dabei Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede.Muniat Akhouaji wurde 1978 in Darmstadt geboren.
Ihr Vater kam 1973 mit siebzehn Jahren als Gastarbeiter aus Marokko nach Deutschland, wo sein Vater bereits lebte. Ihre Mutter kam 1977 nach. Akhouaji ist das dritte von insgesamt zehn Kindern. Sie studierte Informatik in Darmstadt und hat eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin in Frankfurt absolviert. Zurzeit arbeitet sie als Pädagogin bei Kita Frankfurt. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.
Interview mit Nikolaus Athanassiadis
Im Interview spricht er über eine Broschüre, die die Griechische Gemeinde zu ihrem 50-jährigen Jubiläum veröffentlichte. Die Griechische Gemeinde ist die älteste Organisation von Griechen in Frankfurt. Sie wurde 1956 von Pelzhändlern und Kürschnern, die aus Leipzig nach Frankfurt gekommen waren, und von Freiberuflern gegründet. Im Gespräch erläutert er auch sein Verständnis von „gelungener Integration“ und problematisiert den Begriff „Deutscher mit Migrationshintergrund“.Nikolaus Athanassiadis wurde 1941 als Sohn eines Apothekers und einer Ärztin auf der Insel Euboa in Griechenland geboren. 1963 kam er nach Frankfurt um Jura zu studieren. Nach dem zweiten Staatsexamen 1973 wurde er wissenschaftlicher Assistent für Strafrecht an der Goethe-Universität. 1976 gründete er eine eigene Kanzlei in Bockenheim, die er bis heute führt. Er war der erste griechische Rechtsanwalt in Frankfurt. Nikolaus Athanassiadis besitzt neben der griechischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit 2006 ist er Vorsitzender der Griechischen Gemeinde Frankfurt/.-Hessen e. V.
Interview mit Athanasios Basdekis
Im Interview spricht er über ein Foto aus dem Jahr 1962, das ihn als Student der Orthodoxen Theologie mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras zeigt, seine Einbürgerungsurkunde von 1977 und über ein Foto und eine Urkunde zur Verleihung des Goldenes Kreuzes 1. Klasse am 15.5.2016. Baskedis erhielt die Auszeichnung als Anerkennung für seine Tätigkeit als Referent der „Ökumenischen Centrale“. Im Gespräch äußert er sich zu seinen Gefühlen für Frankfurt und erläutert, was es für ihn bedeutet, sowohl Grieche als auch Deutscher zu sein.
Interview mit Chrisula Dingiludi
In ihrem Interview spricht sie über zwei Schulbücher, die sie in der Holzhausenschule für ihren Griechischunterricht verwendet hatte. Im Gespräch erinnert sie an ihre Kindheit, erläutert ihr damaliges und heutiges Verhältnis zur griechischen und deutschen Sprache und erklärt, warum sie das Wort „Migrantin“ ablehnt.
Interview mit Dr. Andreas Eichstaedt
Im Interview spricht er über eine Schürze zur Aufbewahrung von Wäscheklammern. Eichstaedts Großvater wurde 1946 aus russischer Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt Brünn (Tschechoslowakische Republik) entlassen. Aufgrund von Artikel XIII., der sog. „Potsdamer Erklärung“ vom 2.8.1945, sollte der „Abschub“ in „ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen“. Dies bedeutete, dass nach tschechischer Auffassung jeder 30 kg, nach amerikanischer Meinung jedoch jeder mindestens 50 kg Gepäck mitnehmen durfte. Wenn den „Abzuschiebenden“ Kleidung fehlen sollte, verpflichtete sich die tschechische Seite, „die mangelnden Teile bereitzustellen“. Da sein Großvater nichts mehr besaß, wurde ihm ein Koffer vollgepackt u.a. mit einem Häftlingsanzug, um das geforderte Gewicht zu erreichen. Mit diesem Koffer kam er nach Frankfurt. Aus dem Häftlingsanzug schneiderte man hier eine kleine Schürze, die beim Wäsche Aufhängen zur Aufbewahrung der Wäscheklammern bis heute genutzt wird.Andreas Eichstaedt wurde 1952 in Frankfurt geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften und legte beide Staatsexamen ab. 1981 wurde er mit einem rechthistorischen Thema promoviert. Von 1980 bis 1983 war er Amtsjurist beim Umlandverband Frankfurt, dann Referent erst beim damaligen Stadtkämmerer und dann beim Oberbürgermeister von Frankfurt. Von 1986 bis 2016 war er bei verschiedenen Frankfurter kommunalen Gesellschaften tätig, zumeist als Geschäftsführer, davon alleine 24 Jahre bei der SAALBAU GmbH.
Interview mit Tamara Labas
In ihrem Interview schildert sie ihre persönlichen Erinnerungen und Gefühle als Gastarbeiterkind in Frankfurt, erklärt, warum ihre Geschichte nicht einzigartig sondern typisch für viele Kinder ist, welche in der Gastarbeiterzeit nach Deutschland emigrierten, und erläutert, warum man an die Geschichte der Gastarbeiterkinder erinnern soll.
Interview mit Friedemann Neumann
In seinem Interview spricht er darüber, wie Migration und Transkulturalität, wenn man sie historisch oder ethnographisch untersucht, an Sachen, an Stellen und Objekten sichtbar werden, an denen man das nicht vermutet: In der Wohnung seiner Großmutter steht ein Teppich aus dem Iran dafür, wie „sich globale Einflüsse heimlich in die Wohnzimmer schmuggeln ohne, dass die Leute es merken“.Friedemann Neumann ist in Reutlingen (Baden-Württemberg) geboren und vor ca. zehn Jahren nach Frankfurt gekommen, um Ethnologie zu studieren. Davor hat er eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner gemacht. Zurzeit arbeitet er am Institut für Ethnologie als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu Migration. Der Gegenstand seiner Forschung ist materielle Kultur und migrantische Haushalte.
Interview mit Peter Oehler
In seinem Interview kommentiert Peter Oehler eine CD mit dem Titel „Fünf Griechen in der Hölle“, eine Sammlung aus 22 Rembetiko-Liedern. Das Album wurde im Jahre 1982 erstmals auf analoger Schalplatte vom TRIKONT Verlag in München veröffentlicht.Er spricht über die Entstehung dieser Sammlung Ende der 1970er Jahre in Griechenland und Frankfurt, eine Geschichte, welche er im Rahmen von Sammlungs-Check Migration recherchiert hat. Er erklärt, warum diese Platte „eine räumliche Bewegung mitgemacht hat“ und spricht über seine persönliche Beziehung zur Rembetiko-Musik.
Interview mit Sevastos Sampsounis
In seinem ersten Interview kommentiert er zwei im Größenwahn-Verlag erschienene Bücher. Das Buch mit dem Titel „Bewegt“ ist das erste von ihm herausgegebene Buch. „Xenos in Griechenland“ behandelt die Erlebnisse von deutschen Einwanderern in Griechenland. In seinem Beitrag spricht er über Identität, die „neue deutsche Sprache“, die gerade entsteht, und darüber, „wie ähnlich der Mensch tickt, wenn er doch irgendwo als Ausländer definiert wird“.In seinem zweiten Interview kommentiert er eine griechische Fahne mit Regenbogenanhänger, welche er in der Stadtlabor-Gruppe präsentiert hat. Die Fahne wurde von der „Ermis-Gruppe“, der Frankfurter griechischen Schwulen-und Lesben Gemeinde, auf dem CSD im Jahre 2001 in Frankfurt mitgetragen. Er spricht über die Bedeutung dieser Fahne als Identifikationssymbol und beschreibt, was es für seine Gruppe bedeutet, sie im HMF ausstellen zu dürfen. Schließlich erklärt er, warum die Entstehung der „Ermis-Gruppe“ in einer anderen Stadt nicht möglich gewesen wäre.
Interview mit Calogera von Auw
In ihrem Interview spricht sie über einen Aufsatz zum Thema „Migration“, den ihr Vater 1981/82 im Rahmen eines Kurses geschrieben hatte. Der Kurs war ein Angebot der Katholischen Gemeinde und diente dem nachträglichen Erwerb eines Schulabschlusses für Emigrant/innen. Der Aufsatz ist für von Auw Anlass, über das Leben ihres Vaters und sein Verhältnis zu Deutschland zu sprechen. Sie führt aus, warum das Erlernen der deutschen Sprache mit „Integration“ nicht gleichzusetzen ist und schließlich, warum die Geschichte der „Gastarbeiter“ wichtig und immer noch relevant ist.
Interview mit Giuseppe Zambon
In seinem Beitrag äußert er sich kritisch zum „Häuserkampf“ und der „revolutionären Studentenbewegung“, blickt auf diese Zeit zurück und skizziert dieses Kapitel Frankfurter Geschichte aus seiner Perspektive.Giuseppe Zambon wurde 1931 in Venedig geboren. 1972 kam er aus Mailand nach Frankfurt als Aktivist der „Unione Inquilini“ (Mietergemeinschaft). Schon in Mailand war er in der Hausbesetzer-Bewegung aktiv. In Frankfurt setzte er seine aktivistische Tätigkeit mit der Gruppe der „Unione Inquilini“ fort. Seit 1974 ist er in Frankfurt als Buchhändler und Verleger tätig mit Schwerpunkt auf linke antikapitalistische Literatur. 1987 eröffnete er die „Südseite internationale Buchhandlung“, die bis heute existiert.