Stadtlabor Sammlungs-Check.
Migration partizipativ sammeln
Interviews der Stadtlaborant*innen
In diesen Interviews beschreiben 13 Personen Objekte, die für sie Migrationsgeschichte widerspiegeln. Die Auswahl und Begründung dieser "Migrationsobjekte" macht deutlich, was eigentlich selbstverständlich ist, in der öffentlichen Diskussion aber doch immer noch zu kurz kommt: Migration ist kein einheitliches Phänomen und "Migrant*innen" sind keine homogene Gruppe. Die Entscheidung zur Migration ist so unterschiedlich wie das Ankommen in Deutschland. Auch die Integration der Migrationserfahrung in die eigene Biografie und die Erinnerung an die familiäre Migrationsgeschichte werden individuell gestaltet. Anhand von 13 ausgewählten Gegenständen beschreiben die Projektteilnehmer*innen das Spannungsfeld von Migrationsgeschichte zwischen individueller Lebensgestaltung und gesellschaftlichen Strukturen.
Interview mit Muniat Akhouaji
In ihrem Interview spricht sie über ein Kopftuch, das ihre Mutter Anfang der 1980er Jahre aus Marokko mitgebracht hat. Sie erklärt, was das Kopftuch für ihre Mutter und für sie selbst bedeutet und findet dabei Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede.Muniat Akhouaji wurde 1978 in Darmstadt geboren.
Ihr Vater kam 1973 mit siebzehn Jahren als Gastarbeiter aus Marokko nach Deutschland, wo sein Vater bereits lebte. Ihre Mutter kam 1977 nach. Akhouaji ist das dritte von insgesamt zehn Kindern. Sie studierte Informatik in Darmstadt und hat eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin in Frankfurt absolviert. Zurzeit arbeitet sie als Pädagogin bei Kita Frankfurt. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.
Interview mit Nikolaus Athanassiadis
Im Interview spricht er über eine Broschüre, die die Griechische Gemeinde zu ihrem 50-jährigen Jubiläum veröffentlichte. Die Griechische Gemeinde ist die älteste Organisation von Griechen in Frankfurt. Sie wurde 1956 von Pelzhändlern und Kürschnern, die aus Leipzig nach Frankfurt gekommen waren, und von Freiberuflern gegründet. Im Gespräch erläutert er auch sein Verständnis von „gelungener Integration“ und problematisiert den Begriff „Deutscher mit Migrationshintergrund“.Nikolaus Athanassiadis wurde 1941 als Sohn eines Apothekers und einer Ärztin auf der Insel Euboa in Griechenland geboren. 1963 kam er nach Frankfurt, um Jura zu studieren. Nach dem zweiten Staatsexamen 1973 wurde er wissenschaftlicher Assistent für Strafrecht an der Goethe-Universität. 1976 gründete er eine eigene Kanzlei in Bockenheim, die er bis heute führt. Er war der erste griechische Rechtsanwalt in Frankfurt. Nikolaus Athanassiadis besitzt neben der griechischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit 2006 ist er Vorsitzender der Griechischen Gemeinde Frankfurt/-Hessen e.V.
Interview mit Athanasios Basdekis
Im Interview spricht er über ein Foto aus dem Jahr 1962, das ihn als Student der Orthodoxen Theologie mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras zeigt, seine Einbürgerungsurkunde von 1977 und über ein Foto und eine Urkunde zur Verleihung des Goldenes Kreuzes 1. Klasse am 15.5.2016. Baskedis erhielt die Auszeichnung als Anerkennung für seine Tätigkeit als Referent der „Ökumenischen Centrale“. Im Gespräch äußert er sich zu seinen Gefühlen für Frankfurt und erläutert, was es für ihn bedeutet, sowohl Grieche als auch Deutscher zu sein.
Interview mit Chrisula Dingiludi
In ihrem Interview spricht sie über zwei Schulbücher, die sie in der Holzhausenschule für ihren Griechischunterricht verwendet hatte. Im Gespräch erinnert sie an ihre Kindheit, erläutert ihr damaliges und heutiges Verhältnis zur griechischen und deutschen Sprache und erklärt, warum sie den Begriff „Migrantin“ ablehnt.
Interview mit Dr. Andreas Eichstaedt
Im Interview spricht er über eine Schürze zur Aufbewahrung von Wäscheklammern. Eichstaedts Großvater wurde 1946 aus russischer Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt Brünn (Tschechoslowakische Republik) entlassen. Aufgrund von Artikel XIII, der sog. „Potsdamer Erklärung“ vom 2.8.1945, sollte der „Abschub“ in „ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen“. Dies bedeutete, dass nach tschechischer Auffassung jeder 30 kg, nach amerikanischer Meinung jedoch jeder mindestens 50 kg Gepäck mitnehmen durfte. Wenn den „Abzuschiebenden“ Kleidung fehlen sollte, verpflichtete sich die tschechische Seite, „die mangelnden Teile bereitzustellen“. Da sein Großvater nichts mehr besaß, wurde ihm ein Koffer vollgepackt u.a. mit einem Häftlingsanzug, um das geforderte Gewicht zu erreichen. Mit diesem Koffer kam er nach Frankfurt. Aus dem Häftlingsanzug schneiderte man hier eine kleine Schürze, die beim Wäscheaufhängen zur Aufbewahrung der Wäscheklammern bis heute genutzt wird.Andreas Eichstaedt wurde 1952 in Frankfurt geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften und legte beide Staatsexamen ab. 1981 wurde er mit einem rechtshistorischen Thema promoviert. Von 1980 bis 1983 war er Amtsjurist beim Umlandverband Frankfurt, dann Referent erst beim damaligen Stadtkämmerer und dann beim Oberbürgermeister von Frankfurt. Von 1986 bis 2016 war er bei verschiedenen Frankfurter kommunalen Gesellschaften tätig, zumeist als Geschäftsführer, davon alleine 24 Jahre bei der SAALBAU GmbH.
Interview mit Tamara Labas
In ihrem Interview schildert sie ihre persönlichen Erinnerungen und Gefühle als "Gastarbeiterkind" in Frankfurt, erklärt, warum ihre Geschichte nicht einzigartig, sondern typisch für viele Kinder ist, welche in der "Gastarbeiterzeit" nach Deutschland emigrierten, und erläutert, warum man an die Geschichte der "Gastarbeiterkinder" erinnern soll.
Interview mit Friedemann Neumann
In seinem Interview spricht er darüber, wie Migration und Transkulturalität, wenn man sie historisch oder ethnographisch untersucht, in Situationen oder an Dingen sichtbar werden, an denen man das nicht vermutet. Er beschreibt dies anhand eines Teppichs aus dem Iran in der Wohnung seiner Großmutter, an dem er zeigt wie „sich globale Einflüsse heimlich in die Wohnzimmer schmuggeln ohne, dass die Leute es merken“.
Interview mit Peter Oehler
In seinem Interview kommentiert Peter Oehler eine CD mit dem Titel „Fünf Griechen in der Hölle“, eine Sammlung aus 22 Rembetiko-Liedern. Das Album wurde im Jahre 1982 erstmals auf analoger Schalplatte vom TRIKONT Verlag in München veröffentlicht.Er spricht über die Entstehung dieser Sammlung Ende der 1970er Jahre in Griechenland und Frankfurt, eine Geschichte, welche er im Rahmen von Sammlungs-Check Migration recherchiert hat. Er erklärt, warum diese Platte „eine räumliche Bewegung mitgemacht hat“ und spricht über seine persönliche Beziehung zur Rembetiko-Musik.
Interview mit Sevastos Sampsounis
In seinem ersten Interview kommentiert er zwei im Größenwahn-Verlag erschienene Bücher. Das Buch mit dem Titel „Bewegt“ ist das erste von ihm herausgegebene Buch. „Xenos in Griechenland“ behandelt die Erlebnisse von deutschen Einwanderern in Griechenland. In seinem Beitrag spricht er über Identität, die „neue deutsche Sprache“, die gerade entsteht, und darüber, „wie ähnlich der Mensch tickt, wenn er doch irgendwo als Ausländer definiert wird“.In seinem zweiten Interview kommentiert er eine griechische Fahne mit Regenbogenanhänger, welche er in der Stadtlabor-Gruppe präsentiert hat. Die Fahne wurde von der „Ermis-Gruppe“, der Frankfurter griechischen Schwulen-und Lesben Gemeinde, auf dem CSD im Jahre 2001 in Frankfurt mitgetragen. Er spricht über die Bedeutung dieser Fahne als Identifikationssymbol und darüber, was es für seine Gruppe bedeutet, sie im Museum auszustellen. Schließlich erklärt er, warum die Entstehung der „Ermis-Gruppe“ in einer anderen Stadt nicht möglich gewesen wäre.
Interview mit Calogera von Auw
In ihrem Interview spricht sie über einen Aufsatz zum Thema „Migration“, den ihr Vater 1981/82 im Rahmen eines Kurses geschrieben hatte. Der Kurs war ein Angebot der Katholischen Gemeinde und diente dem nachträglichen Erwerb eines Schulabschlusses für Emigrant*innen. Der Aufsatz ist für von Auw Anlass, über das Leben ihres Vaters und sein Verhältnis zu Deutschland zu sprechen. Sie führt aus, warum das Erlernen der deutschen Sprache mit „Integration“ nicht gleichzusetzen ist und schließlich, warum die Geschichte der „Gastarbeiter“ wichtig und immer noch relevant ist.
Interview mit Giuseppe Zambon
In seinem Beitrag äußert er sich kritisch zum „Häuserkampf“ und der „revolutionären Studentenbewegung“, blickt auf diese Zeit zurück und skizziert dieses Kapitel Frankfurter Geschichte aus seiner Perspektive.Giuseppe Zambon wurde 1931 in Venedig geboren. 1972 kam er aus Mailand nach Frankfurt als Aktivist der „Unione Inquilini“. Schon in Mailand war er in der Hausbesetzer-Bewegung aktiv. In Frankfurt setzte er seine aktivistische Tätigkeit mit der Gruppe der „Unione Inquilini“ fort. Seit 1974 ist er in Frankfurt als Buchhändler und Verleger tätig mit Schwerpunkt auf kapitalismuskritischer Literatur. 1987 eröffnete er die „Südseite internationale Buchhandlung“, die bis heute existiert.