
Frankfurt Jetzt!
Wie lebt es sich in Frankfurt? Wer sind die Frankfurter*innen? Und wie erleben sie die Stadt? Wer könnte diese Fragen besser beantworten als die Frankfurter*innen selbst? Sie sind die Expert*innen für die Stadt. Mit der Bibliothek der Generationen und dem Stadtlabor bietet das Historische Museum zwei Ausstellungen, in denen die eigene Geschichte und das persönliche Erleben der Stadt sichtbar gemacht und mit anderen geteilt werden können. Das große Frankfurt-Modell zeigt, wie die Stadt von ihren Bewohner*innen gesehen wird. Die Dauerausstellung Frankfurt Jetzt! ist den Stadtbewohner*innen gewidmet und wird auch von und mit ihnen gestaltet. In Frankfurt Jetzt! spielen Partizipation und Gegenwartsorientierung eine zentrale Rolle.




Frankfurt-Modell
Für die 2017 zu eröffnende neue Dauerausstellung des Historischen Museums sollte ein über 70 Quadramter großes Stadtmodell entstehen, dass die Stadt aus der Sicht ihrer Bewohner*innen zeigen sollte. Deshalb war das Museumsteam im Sommer 2015 unterwegs in der Stadt und befragt 1.166 Frankfurter*innen nach ihren Stadt-Ansichten.
Von Mai bis September 2015 haben wir alle 42 Frankfurter Stadtteile (der Flughafen wurde nicht mitgezählt und Verwaltungseinheiten wie Nord/Süd/West/Ost wurden zusammengefasst) besucht, um mit möglichst vielen Bewohner*innen ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, was ihrer Meinung nach in dem großen Stadtmodell gezeigt werden sollte. Ihr Wissen und ihre Alltagsexpertise zum Leben in den Stadtteilen wollten wir mit Fragebögen und Interviews festhalten und dokumentieren. Im Fragebogen wurde z.B. nach dem „Flair“ des Stadtteils gefragt: Welche Farbe, Gerüche oder Geräusche assoziiert man mit ihm? Wie empfindet man das Tempo im Stadtteil? Es ging aber auch um wichtige Orte, wie z.B. sozialer Treffpunkte, Ausflugsziele oder Wahrzeichen. Anhand von Stadtkarten wurde ein Mapping durchgeführt, das Aufschluss über positiv, neutral oder negativ konnotierte Orte gab.
Es wurde schnell klar, dass wir dieses breit angelegte Format nur mit Hilfe einer großen Gruppe von Keyworker*innen umsetzen können. Zusammen mit ihnen wurden 35 Ortstermine festgelegt, bei denen wir mit einem Forschungsfahrrad präsent waren. Mit dem Jungen Museum unterwegs konnten wir dazu einen eigenständigen Kooperationspartner gewinnen, der in zehn weiteren Stadtteilen mit Kindern und Jugendlichen die Stadt erforschte. Auch im Internet gab es die Möglichkeit am Projekt teilzunehmen. Die Resonanz auf unsere Besuche vor allem an den Wochenenden auf Straßenfesten, Kerb-, Dorf- und Stadtteilfesten sowie Märkten war sehr gut; das Museum war überall willkommen und erfuhr eine breite Unterstützung. Insgesamt wurden 1.166 Fragebögen ausgefüllt, was einem Durchschnitt von 27 Fragebögen pro Stadtteil entspricht. Als Abschluss dieser Recherchephase fertigten wir aus den gesammelten Daten Stadtteilporträts an, die dem Künstler als inspirierende Bauanleitung dienten.
Der Künstler Herman Helle übersetzte dies künstlerisch und gestaltete mit seinem zwölfköpfigen Team ein lebendiges Modell, in dem die wichtigsten Orte in einem größeren Maßstab dargestellt sind. Einige der Geschichten der Frankfurter*innen sind im Modell durch Anspielungen und Fundstücke wiedergegeben. Über dem Modell liegt eine Soundcollage, mit der auch das „Klangbild“ der Stadt widergegeben wird.
Film zum Frankfurt-Modell




Was ist das Stadtlabor?




Bibliothek der Generationen
Die Bibliothek der Generationen wurde ursprünglich für die Ausstellung „Das Gedächtnis der Kunst. Geschichte und Erinnerung in der Kunst der Gegenwart" (2000/2001) konzipiert. Gemeinsam mit dem damaligen Museumskurator Kurt Wettengl suchte Sigrid Sigurdsson 100 Personen, die mit der Geschichte der Stadt Frankfurt am Main verbunden sein sollten. Die Teilnehmer*innen, auch Autor*innen genannt, sollten einen biografischen, historischen oder wissenschaftlichen Rückblick auf das vergangene Jahrhundert erstellen.
Eine Übersicht informiert über die am Projekt beteiligten Autorinnen und Autoren.
Seit 2004 ist die Bibliothek der Generationen Teil der Dauerausstellungen des Historischen Museums Frankfurt. Mittlerweile sind rund 100 Beiträge in die Bibliothek der Generationen eingegangen. Sie bestehen aus historischen oder biografischen Betrachtungen, Tagebüchern oder Briefwechseln, aus Zeichnungen, Protokollen, künstlerischen und wissenschaftlichen Beiträgen sowie aus Fotos, Tonbändern oder Filmen. Es gibt keine inhaltlichen Vorgaben, die Bibliothek weist eine breite Vielfalt an Themen und Erinnerungen auf.
Teilnehmer, die älter als 50 Jahre sind, haben drei Jahre Zeit, ihren Beitrag zu erstellen, wer jünger ist, hat bis zu 50 Jahre Zeit. So entstehen auch Beiträge, die in die Zukunft weisen und das beginnende 21. Jahrhundert reflektieren. Jedes Jahr kommen zwei weitere Autor*innen dazu. Am Ende wird die Bibliothek der Generationen aus 200 Beiträgen bestehen und einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren erinnerter Geschichte umfassen.
Ziel des Projekts ist es, die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main aus unterschiedlichen Perspektiven kennenzulernen und kommenden Generationen die Möglichkeit zu geben, sich mit den Erinnerungen und Berichten der Älteren auseinander zu setzen. Wie die Erfahrung zeigt, kann solch ein „Offenes Archiv“, in dem die Bürger aktiv an einem Erinnerungsprozess teilnehmen, Auslöser weiterführender Diskussionen und Prozesse sein, die den Umgang einer Stadt mit ihrer eigenen Geschichte nachhaltig beeinflussen.
In normalen Zeiten findet dienstags um 14.30 Uhr eine halbstündige Einführung in das Projekt und die Präsentation eines ausgewählten Beitrags statt, die zur Zeit leider auch entfallen muss. Dafür sind auf der gesamten Ausstellungsfläche von "Frankfurt Jetzt!" immer zwei Publikumsbetreuer*innen anwesend, die Fragen zum Projekt beantworten.




In Frankfurter Gesellschaft
Ein Teil des Fotoprojekts ist in der Dauerausstellung Frankfurt Jetzt! als Installation in den Fenstern rund um das Frankfurt-Modell zu sehen.
Während Anna Pekala Familien, Paare oder Einzelpersonen in ihrem Zuhause porträtiert, liegt der Fokus bei Albrecht-Schoeck auf der Urbanität. Die Fotografin inszeniert die Porträts mit den Bewohner/innen zusammen: Möbel werden verrückt, Objekte mit ins Bild gebracht oder herausgenommen, ausgewählte Kleidung angezogen und eine aussagekräftige Haltung eingenommen.
Seit 2013 wurde das Projekt in 15 Frankfurter Stadtteilen realisiert und umfasst ca. 400 Porträts und 300 Außenaufnahmen. Mit der Zeit ist ein umfangreiches Zeitdokument entstanden, das eine Vielseitigkeit, Individualität aber auch Gemeinsamkeiten verschiedenster Lebensentwürfe, Weltansichten und Kulturen aufzeigt.
Das Foto-Projekt wird durch das Frankfurter Programm -- Aktive Nachbarschaft gefördert und unterstützt. Seit dem Jahr 2000 ist das Frankfurter Programm in aktuell 15 Quartieren der Stadt aktiv.