Meisterstücke – Vom Handwerk der Maler
Was ein Meisterwerk ist, glauben wir alle zu wissen und denken dabei an Dürer, Rembrandt und Velázquez. Aber was ist eigentlich ein Meisterstück? In Vergessenheit geraten ist, dass auch Maler einmal in Zünften organisiert waren und wie andere Handwerker zum Abschluss ihrer langen Ausbildung ihr Können mit einem Meisterstück beweisen mussten. Erst dann durften sie ihre Gemälde signieren, eine eigene Werkstatt führen und selbst ausbilden. Die Ausstellung des Historischen Museums widmete sich erstmals diesem vergessenen Thema der Künstlersozialgeschichte.
Die Schau vermittelte eine Vorstellung von der langen Ausbildung des Malers als zünftiger Handwerker bis ins 19. Jahrhundert. Als Lehrling und Geselle lernte er durch Nachahmung und ständige Wiederholung die Farben zu reiben, die Leinwände zu spannen und zu grundieren und einfache malerische Aufgaben auszuführen. Erfahrungen sammelten die Gesellen außerdem auf der Wanderschaft, die sie durch Deutschland oder ins Ausland führte. Um selbst Meister zu werden, schrieb die Zunftordnung dem Maler viele Bedingungen vor, darunter die Heirat, den Erwerb des Bürgerrechts, Geldzahlungen und oft auch die Anfertigung eines Meisterstücks.
Das Historische Museum Frankfurt besitzt eine für die Erforschung der Künstlersozialgeschichte in Deutschland einzigartige Sammlung von über 45 Meister- oder Probestücken aus der Zeit von 1631 bis 1858. Die Stadt Frankfurt verlangte von den Malern die Einlieferung des vorgeschriebenen Meister- oder Probestücks für die Ausstattung des Rathauses, des Römers. Diese Frankfurter Gemälde werden anderen Malermeisterstücken aus Nürnberg, Hamburg, Lübeck und Burghausen sowie Meisterstücken anderer Handwerke bis in die Gegenwart gegenübergestellt.
In der Ausstellung wurde erstmals auch die Wahlstube des Römers rekonstruiert, die in den 1630er Jahren mit einem Gemäldezyklus, den frühesten Meisterstücken, ausgestattet wurde. Die Wahlstube war einer der wichtigsten diplomatischen Orte im Heiligen Römischen Reich; hier führten die Kurfürsten und ihre Gesandten die Verhandlungen für die Kaiserwahl und die Wahlkapitulation, hier fanden aber auch zahlreiche Reichstage und Konferenzen statt. Die Maler pflegten ein ambivalentes Verhältnis zu ihrer Zunft. Einerseits erwarteten sie von ihr den Schutz vor unliebsamer Konkurrenz von Kollegen wie den Weißbindern und Tünchern und vor auswärtigen Malern, die auf den lukrativen Frankfurter Markt drängten: Die Ausstellung zeigte erstmals eine jüngst erforschte Gruppe von Meisterzeichnungen Frankfurter Weißbinder. Die Zunft selbst grenzte Künstler und vor allem Künstlerinnen wie Maria Sybilla Merian aus; andere, wie Matthäus Merian d.J. und Jacob Marrel, verweigerten sich ihren Ansprüchen. Beide Gruppen waren in der Ausstellung mit Beispielen prominenter Künstler vertreten.
Andererseits empfanden die Maler die strengen Zunftordnungen und die zünftige Ausbildung als nicht zeitgemäß: Ihrer Meinung nach gehörte die Malerei nicht zu den mechanischen, sondern zu den freien Künsten. So thematisiert die Ausstellung ebenfalls die Entwicklung der Ausbildung von der Malerzunft zur Kunstakademie. Ab dem 16. Jahrhundert versammelten sich Maler in ihren Ateliers zu privaten Akademien, um nach Originalen oder Gipsabgüssen von Antiken und nach dem Akt zu zeichnen und um sich über theoretische Aspekte der Kunst zu unterhalten. In Deutschland übte der in Frankfurt geborene Maler Joachim von Sandrart d.Ä. einen großen Einfluss auf diese Entwicklung aus.
In den europaweit gegründeten offiziellen Kunst- und Zeichenakademien wurde besonderes Gewicht auf die theoretische Ausbildung der Künstler gelegt. Die Lehre basierte auf dem Zeichnen nach dem Schönheitskanon (Antike) und nach dem Akt sowie nach den Prinzipien der Wissenschaft (Perspektive, Geometrie und Anatomie). Doch auch an der Akademie herrschten strenge Regeln: Hier ersetzte das Aufnahmestück das frühere Meisterstück der Zunft. Die Ausstellung im Historischen Museum zeichnete ein Bild dieser Entwicklung mit Thesenbildern, Gründungsallegorien, Akademieszenen und Aufnahmestücken. Lehrmaterial, das an Akademien eingesetzt wurde, vervollständigt das Bild.
Das letzte Kapitel der Ausstellung widmete sich den Versuchen einer Akademiegründung in Frankfurt und der Städelschule als bürgerlicher Kunstakademie, die in den ersten Jahrzehnten unter dem Einfluss der nazarenischen Kunstideale stand. Hier schließt sich ein Kreis: Die ersten Zunftmaler lieferten in den 1630er Jahren die Ausstattung der Wahlstube im Römer, die Maler der Städelschule und ihre Künstlerfreunde statteten in den 1840er und 1850er Jahren den Kaisersaal des Römers mit 52 Kaiserporträts aus.
Die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main als Kooperationspartner spannt den Bogen in die Gegenwart handwerklicher Meisterstücke: Die Ausstellung brachte Meisterstücke der Vergangenheit und Moderne zusammen. Sechs Männer und Frauen aus dem Handwerk in der Region zeigen, was ein handwerkliches Meisterstück heute auszeichnet. In der Schau sind die Meisterprüfungsstücke der Gewerke Maler und Lackierer, Schuhmacher, Goldschmied, Maßschneider, Hörakustiker und Zweiradmechaniker zu sehen.
Die Ausstellung „Meisterstücke – Vom Handwerk der Maler“ war vom 12. September 2019 bis zum 19. Januar 2020 im Historischen Museum Frankfurt zu sehen.
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Trier und der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main.
Gefördert von
Kulturfonds Frankfurt RheinMain
Ernst von Siemens Kunststiftung
Kulturstiftung der Länder
Cronstett- und Hynspergische evangelische Stiftung
Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung
Rudolf-August Oetker-Stiftung
Stiftung Giersch
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen
Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main
Idee
Andreas Tacke
HMF Ausstellungsbüro
Kurator, Projektleitung: Wolfgang P. CilleßenKontakt: wolfgang.cillessen[at]stadt-frankfurt.de
Kuratorische Assistenz: Aude-Line Schamschula, Danica Brenner
Kontakt: a.schamschula[at]stadt-frankfurt.de
Presse- und Öffentlichkeistsarbeit: Karin Berrío
Kontakt: karin.berrio[at]stadt-frankfurt.de