Der kleine Kapitalist
Mit improvisiertem Puppentheater brachte Vollrad Kutscher Themen der „68er“ während Demonstrationen unterhaltsam auf den Punkt.
Die Protestformen der 1960er und 1970er Jahre in der Bundesrepublik waren sehr bunt. Oftmals vermischten sich auf Demonstrationen politische und künstlerische Aktionen. Auch in Frankfurt war das der Fall. Ein Beispiel dafür ist der „antikapitalistische Altar“, der vom Frankfurter Künstler Vollrad Kutscher stammt und bei Demonstrationen gemeinsam mit den Handpuppen zum Einsatz kam.
Das Improvisationspuppentheater, das Vollrad Kutscher zusammen mit befreundeten Künstler/innen wie Walter Hanusch und Nicole Guiraud auf Demonstrationen durchführte, speiste sich aus mehreren Quellen. Zum einen inspirierte das klassische Kaspertheater. Die Figur des Kasper(l), der alles hinterfragt und auf kritische Dinge hinweist, war auch für die Improvisationen sehr wichtig. Zum anderen spielte das Straßenpuppentheater aus den Vereinigten Staaten eine Rolle, das oftmals mit riesigen Puppen auf den Anti-Kriegs-Demonstrationen agierte.
Vollrad Kutscher zog es vor, mit seinem Theaterspiel spontan zu intervenieren. Alles war improvisiert – die Bühne, der Spielort und das Stück. Themen der kurzen Stücke waren die hohen Mieten oder die Erhöhung der Fahrpreise für den öffentlichen Nahverkehr – dargebracht etwa in der Straßenbahn. Der Moloch Kapitalismus erscheint in Form einer riesigen grüne Krake, die die Stadt im Griff hat. Dazu ist ein Text überliefert, der in Form eines Gebetes ironisch auf Missstände in Frankfurt hinwies: „Wir bitten dich um eine Abrissgenehmigung für ganz Frankfurt, damit wir ein einziges großes Büro errichten können zu deinen Ehren“. Die Puppen – der Polizist, der Tränengaswerfer, der Gastarbeiter oder der Kapitalist – sollten den Passanten das Anliegen der Demonstration näher bringen.