Höchste Güte und barocke Zier
Sie demonstriert die Wiederaufnahme der alten Höchster Formen in Dammer Steingut im 19. Jahrhundert und in Passauer Porzellan in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gezeigt werden auch Höchster Porzellane aus der Zeit der Neugründung von 1946 bis hin zur Musterkollektion von heute. Dank der Schenkung der Sanofi Aventis Deutschland GmbH und der Leihgaben des Höchster Geschichtsvereins sowie anderen Leihgebern führen gedeckte Speise- und Desserttische in die Tafelkultur und Lebenswelt des 18. Jahrhunderts ein. Die neue Präsentation im Erdgeschoss des Kronberger Hauses vertieft die kulturgeschichtlichen Aspekte im Kontext der bürgerlichen Lebenswelt des 18. Jahrhunderts. Sie demonstriert die wechselvolle Geschichte der Höchster Porzellan-Manufaktur seit ihrer Gründung 1746 bis heute an Hand ausgewählter Werkbeispiele. Außergewöhnliche Höchster Fayencegeschirre wie zum Beispiel die als Trompe-l'oeil geformte Zitronendose zeigen in ihrer Form und Gestaltung eine starke Anlehnung an die Natur.
Großer Beliebtheit erfreute sich die Höchster Blumenmalerei. Man unterscheidet hier zwischen den stilisierten „indianischen Blumen” in ostasiatischer Manier und den nach der Natur gemalten einheimischen „deutschen Blumen”, die zu Buketts gebunden, als Bändermalerei gestaltet oder locker als Streublumen verteilt sein können. Aufwändig gemalte Blumenbuketts finden sich auf dem großen Höchster Prunkservice „Altbrandenstein”, das auf einer festlich à la française gedeckten Speisetafel zu bewundern ist.
Zahlreich und kostbar sind die Höchster Porzellanfiguren aus dem Bestand der alten Hoechst AG, die uns die Sanofi Aventis Deutschland GmbH 2009 als Schenkung übereignet hat. Viele der Gruppen gehörten ehemals zu Dessertaufsätzen wie zum Beispiel das „musizierende Knabenorchester” von Laurentius Russinger oder die selten erhaltenen Jagdgruppen, die sich in der Ausstellung unmittelbar mit grafischen Jagddarstellungen des Augsburger Kupferstechers Johann Elias Ridinger vergleichen lassen.
Besonders reich ist die Figurenplastik Johann Peter Melchiors in der Sammlung der alten Hoechst AG vertreten. Aus seiner frühen Zeit stammen die tanzenden und spielenden Kinder, die uns mit ihrem unmittelbaren natürlichen Charme bezaubern. Bereits als 18-Jähriger schuf Melchior um 1765/66 in Höchst den „Chinesischen Kaiser” (Dauerleihgabe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz). In ihrer repräsentativen Größe, ausgewogenen Komposition und Ausdrucksstärke der Figuren ist diese Gruppe ein wahrhaft gelungenes Meisterwerk.
Sammlung Kurt Bechtold
Hier kann man bedeutende Werke bekannter Höchster Modelleure und Maler nach chronologischen, ästhetischen und künstlerischen Gesichtspunkten geordnet wieder finden. Zu den bekanntesten Höchster Modelleuren gehören Johann Gottfried Becker, Laurentius Russinger und Johann Peter Melchior. Bedeutende Maler waren Andreas Philipp Oettner, Johann Melchior Schöllhammer, Jacob Melchior Höckel, Peter und Joseph Angele, Friedrich Carl Wohlfahrt, Louis Victor Gerverot und Johann Heinrich Usinger. Alle Künstler sind in der Sammlung Kurt Bechtold vertreten.
Besonders beliebt waren die Blumen-, Purpurcamaieu-, Landschafts-, Genre- und Figurenmalereien. Die unterschiedlichen Malstile der einzelnen Höchster Porzellanmaler lassen sich sehr anschaulich studieren, da einige der Werke signiert sind. Künstlersignaturen auf Porzellanen kommen im 18. Jahrhundert nur sehr selten vor.
Städtische Porzellansammlung
Unter der künstlerischen Leitung des bedeutenden Höchster Modellmeisters Johann Peter Melchior vollzog die alte Höchster Porzellan-Manufaktur in ihren Formen und Dekoren den stilistischen Wandel von den verspielten heiteren Rokokoformen zum strengen Formenrepertoire des Klassizismus. Entsprechend sind die hochwertigen Luxuserzeugnisse nach ihren künstlerischen Bezügen, Vorbildern und Vorlagen geordnet. Ebenso sind in der Ausstellungspräsentation kulturgeschichtliche Aspekte miteinbezogen. Gezeigt wird, wie sich Nützliches mit Schönem verbinden kann, denn viele Porzellane erfüllten ihren Zweck im alltäglichen Leben – sei es auf der festlich gedeckten Tafel, bei der morgendlichen Toilette, als dekorativer Raumschmuck, zur häuslichen Andacht oder als begehrenswerte Sammlerstücke und Galanterien, die man gerne als Zeichen der Freundschaft und Liebe verschenkte.
Mit dem im Laufe des 17. Jahrhunderts einhergehenden Wandel der Lebensgewohnheiten änderte sich auch der Gebrauch der Geschirre. Durch die Einführung der drei kolonialen Heißgetränke Kaffee, Tee und Schokolade und durch die Einflüsse des französischen und spanischen Hofprotokolls änderten sich die Trink- und Speisegewohnheiten der gehobenen Adels- und Bürgerschichten im 18. Jahrhundert grundlegend.